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Romantische Hönnetal bei Klusenstein
Dr. Theo Bönemann

Die Mühle und die Burg Klusenstein gehören zum Repertoire der bevorzugten westfälischen Landschaftsdarstellungen. Während die Burganlage von westlichen Ansicht her durch die Umgehungsmauern und die Wirtschaftsgebäude geprägt wird und die wirtschaftliche Bedeutung als landwirtschaftlicher Betrieb hervorspringt, wird sie aus der Talperspektive als wehrhafte und uneinnehmbare Höhenburg empfunden. Sie ist ein wesentlicher Bezugspunkt im Verlauf des engen Hönnetals und eine der bedeutendsten Attraktionen.

Zur Bereicherung der Reiseliteratur über das Hönnetal im 19. Jahrhunderts finden sich oftmals Radierungen, Steindrucke und gelegentlich Grafiken. Fast allen ist der Standort des Künstlers mit Blick von Süden gen Norden in Laufrichtung der Hönne gemeinsam. Die Reisebeschreibungen namhafter Schriftsteller der Biedermeierzeit legen davon Zeugnis ab und werden mehrfach in dieser Arbeit genannt. Zeitlich vor dem sehr bekannten kurzen Reiseeindruck, der Annette von Droste-Hülshoff zugeschrieben wird, widmet der fürstliche Kirchenrath und Pastor zu Hagen, W. Aschenberg, bereits im Jahre 1802 dem Klusenstein an der „Gränze“ der Grafschaft Mark eine „wahre und treue Darstellung“. Seine „kurzen topographischen und historischen Nachrichten und Beobachtungen“ aus dem Jahre 1802 sind im Jahre 1806 in „Malerische Reise durch Westphalen“ erschienen und durch eine Grafik ergänzt worden.

Eine der wenig bekannten, dafür die älteste, ist die bildliche Darstellung des Klusensteins von Ursula Reinheimer aus der Zeit um 1800 (siehe Buchtitelseite). Auftraggeber war der Besitzer von Klusenstein, der Freiherr und spätere Graf Moritz von Brabeck. Malerische Beiwerke von Hirten, Bauern und Ziegen gestalten das Bild lebendig. Der ehemalige Pfad durch das Tal führt direkt auf die unter einem Krüppelwalmdach ruhende Mühle. Die rechts angeordnete bizarre Felsformation «Hoster- oder Habichts-Leie» ist dem Wegbau zur Hönnetalstraße um 1814 zum Opfer gefallen. Der Blick zur oberhalb gelegenen Burg wird durch einen Baum eingeengt. Der schlichte mehrgeschossige Bau weist im Osten einen niedrigen Gebäudeteil auf, der in späteren Ansichten verschwunden ist. Dank des Reinheimerschen Ölgemäldes kann dieser bislang nur vermutete Baukörper als gesichert gelten. Erhalten ist aber heute noch ein zweijochiger Gewölbekeller.

Der Zeichner Anton Wilhelm Strack hat auf seiner „Malerische[n] Reise durch Westphalen“ im Jahre 1806 durch seinen Stecher F. Schütze eine Radierung geschaffen, die wertvolle Sachinformationen zur Gebäudegeschichte liefert. Erstmalig wird neben der bekannten Gebäudesubstanz der Burg ein Wirtschaftsgebäude abgebildet, wie es um 1829 im Urkataster ebenfalls belegt ist. Die Breite des Hauptgebäudes und eine längere Mauer mit nördlicher Richtung werden deutlich sichtbar.

Der ungestörte Bauzustand der Mühle lässt keine durchgreifende Bauveränderung in vorangegangenen Jahrhunderten erahnen. Das Wohnwirtschaftsgebäude diente in seinem linken Teil dem Wohnen und im Rechten dem Mühlenbetrieb. Seine äußere Erscheinung legt einen Putz über Kalksteinmauerwerk nahe. Seitlich ist der Obergraben zu erkennen, Wasserräder werden nicht dargestellt, weil sie an der rechten Hausstirnseite zurückgesetzt angeordnet sein dürften. Der Bau ist lediglich eingeschossig. Im Hintergrund ist die zum Norden hin abfließende Hönne zu erahnen. Die Felspartien sind sehr zerklüftet und betont bizarr dargestellt. Das Tal weist eine ihm nicht zustehende Weite und Öffnung des Talausganges zu Lasten der Realität auf. Hier nimmt der Weg eine für Kutschwerk befahrbare Breite ein.



Die Ansicht von Bleuler (siehe Postkarte), die kurz vor dem Bau der Hönnetalstraße angefertigt wurde, wiederholt die oben gezeigten Details von Reinheimer und Schütze. Die breit aus gestaltete Talaue mit frei stehenden Bäumen ist hügelig gestaltet. Ein geschwungener Saumpfad mit einer malerischen Holzbrücke führt zur Mühle, die von der Burg, ihren Wirtschaftsgebäuden und den beiden Felsspitzen eingerahmt wird. Mit diesem Bild kann Bleuler als Urheber der falschen Fließrichtung der Hönne ausgemacht werden. Möglicherweise hat seine künstlerische Vorgabe Einfluß genommen auf die jüngeren Ansichten.

Der Klusenstein um 1810 als steil aufragender Felsen mit einer Burg, die lediglich in Umrissen dargestellt ist. Die beschriebene „Fährlichkeit“ und Enge des Tales sind auf dem sehr kleinformatigen Blatt wenig ausdrucksvoll dargestellt. Zahlreiche Details sind wenig aussagekräftig. Die Radierung übernimmt die nach Balve fließende Hönne und gibt der Mühle ein Satteldach.









Stahlstich Klusenstein von Carl Schlickum nach Henry Winkles, Leipzig 1839/42. Die Felsnadeln Hoster-Leie oder der Habichts-Leie sind dem Straßenbau gewichen. Die Hönne fließt flussaufwärts in Richtung Balve – ein künstlerisches Attribut zur Verbesserung der Perspektive. Die Mühle erstrahlt unter weißem Putz

Die wohl bekannteste Reisedarstellung von Klusenstein ist den „Wanderungen durch Westfalen“, Leipzig 1839/42, entnommen und später in weiteren Auflagen mehrfach erschienen. C. Schlickum hat über seinen Stecher H. Winkles Veränderungen der Situation erkennbar gemacht. Dem Stecher wird gewissenhafte Arbeit nach der Natur nachgesagt. Der Ostflügel der Burg ist, wie auch das Urkataster von 1829 belegt, nicht mehr vorhanden und bis auf die unteren Mauerreste abgetragen. Von der Burg aus gelangt man über den „Mühlenweg“ und eine Holzbrücke zur Mühle mit ihrer bekannten unveränderten Bausubstanz. Zwischen der Hönne und dem Obergraben findet sich eine Staffage aus lagernden Hirten und Bauern. Am rechten Bildrand sind die aufrechten Leie-Felsformationen zu Lasten der neu gebauten Hönnetalstraße beseitigt worden. Das Krüppelwalmdach der Mühle ist durch ein Walmdach ersetzt worden. Aus künstlerischen und perspektivischen Gründen ist die Fließrichtung der Hönne realitätsfremd zum Betrachter hin fließend ausgerichtet. Dadurch gewinnt das Bild einen hohen künstlerischen Reiz. Die zentralperspektivischen Fluchtlinien von Hönne und Obergraben münden im Mittelpunkt des Bildes und verschmelzen mit einer hinteren Baumspitze. Die Beengtheit des „Romantischen Hönnetals“ ist in den Hintergrund verlegt worden. Die eigentlichen Felspartien werden nicht korrekt dargestellt. Aus diesem dunklen Rückraum scheint uns eine Reisegesellschaft vom nahe gelegenen Haus Rödinghausen entgegen zu kommen, wenn man in der genannten literarischen Gemeinschaftsarbeit mit Annette von Droste-Hülshoff dazu liest: „bis endlich aus tiefem Kessel uns das Gebrause und Schäumen einer Mühle entgegen stürmen. Hier ist die Fährlichkeit überwunden, eine kühne kuppige Felswand springt vor uns auf, drüber ragen die Ringmauern. und Trümmer der alten Burg, aus der ein neueres Wohnhaus wie ein wohlhabiger Pächter einer alten Ritterherrlichkeit hervorlugt.“

In der Lithographie von Wilhelm Riefstahl aus dem Jahre 1860 trägt die Mühle ein Walmdach. Von der Burganlage ist nur der Hauptbau dargestellt. Die Straße ist großzügig ausgebaut und mit Straßenbäumen gesäumt. In dieser Bildkomposition wird die exponierte Lage der Burg als Grenzfeste auf einem Felssporn deutlich. Der nach Osten hin schützende Steilabfall des Klusensteins hätte dem Gegner kaum die Chance zur Einnahme gelassen.

Unterhalb der Burg zieht sich nach Westen entlang des Steilhanges ein Schluchtwald. Als Abschnitt im heutigen «NSG Hönnetal» wird er von artenreichen Buchenbeständen eingenommen. Auf seiner Talsohle finden sich Zeitzeugen der Nutzung der Kalkvorkommen für das Stahlwerk Hoesch und die AG Phönix als überwucherte Betonfundamente um 1912.



Die schweren Baufahrzeuge beim Bau der Eisenbahn im Jahre 1912 und wiederholte Naturereignisse durch schwere Sturzfluten schädigten die Hönnetalstraße oft so sehr, daß sie unpassierbar wurde. Klagen sind vielfältig belegt.

Die Zeitung in Menden berichtete von gewaltigen Niederschlägen im ganzen Reich. Die Ernte war zerstört und die Erde von Regenwasser gesättigt, als am 4. Dezember 1890 die „Katharinenflut“ auch über das Hönnetal hinwegging. Eine mehrere Meter hohe Flutwelle zerstörte das Wehr an der Klusensteiner Mühle und die drei Brücken des Herrn Ebbinghaus am Ausgang des Hönnetales. „Jahrelanger Fleiß der biederen und strebsamen Bewohner des Hönnethales ist in einer Nacht vernichtet“ worden. Die Flussaue der Hönne zwischen Oberrödinghausen und Menden und bei Bösperde stand unter Wasser. In der Bahnhofstraße der Stadt Menden stand das Wasser bis zu 90 cm hoch. Sogar die Ruhrbrücke und die Eisenbahnbrücke bei Fröndenberg waren durch Hochwasser der Ruhr zerstört worden. Das Hönnetal war lange Zeit unpassierbar. Die Postkutsche hatte ihren Dienst eingestellt.

Blick von der Eisborner Hochfläche (Haustatt) auf das ehemalige Forsthaus (Abbruch 1995?? durch die RWK) am Mühlenweg, die steinerne Brücke, die „Sieben Jungfrauen“, die beidseitigen Hochflächen und die Burg Klusenstein im Hintergrund. Ansicht um 1954.

Baumaßnahmen haben um 1915 zu erheblichen Veränderungen geführt. Ein aufgefülltes Hofgelände, eine Aufstockung durch Ziegelsteine, vergrößerte Fenster, ein seitwärts verlegter Eingang, eine neue Dachform und die Trennung des Mühlenbetriebes von der Wohnfunktion unter einem gemeinsamen Dach sind im Vergleich zu den älteren Abbildungen gut erkennbar. Das Gebäude ist ein lang gestreckter Bau mit einer mittigen Erschließung von der Südseite aus. Im Vordergrund ein Karren und rechts das Gesindehaus. Postkarte von 1912

Der Ausbau des Dachbodens machte um 1919 über eine Aufzugluke die Lagerhaltung möglich. Im unteren Geschoß ist rechts ein zweiter geduckter Eingang – früher Mühleneingang – erkennbar, durch den man in das Kellergeschoß gelangt. Postkarte um 1925.

Die Mehrgeschossigkeit und die hochwassergefährdete Lage des Kellergeschosses mit Mahlwerk werden deutlich. Die möglicherweise früher einst offene Rückwand ist aus Fachwerk, während das Kellergeschoß und das Erdgeschoss aus naturnahem Bruchstein errichtet worden sind. Hinter der Mühle lugt ein Schuppen hervor. Postkarte um 1929.

K6Die so genannte romantische Postkutschenzeit wurde im Hönnetal unterhalb der «Sieben Jungfrauen» als Postkartenmotiv festgehalten. Das Monopol zur Beförderung von Personen bescherte den heimischen Posthaltern gute Einkünfte. An verschiedenen Haltepunkten im Hönnetal konnten die Passagiere aufgenommen werden. Der Fahrgast brauchte viel Zeit und Geduld, da die schlechte Strecke schlecht passierbar war und manchen Postwagen umstürzen ließ. Die Beförderung von Gefahrengütern wurde hart bestraft. Postkarte von 1904


Das Hönnetal gehörte in der Zeit vor dem II. Weltkrieg zu den beliebtesten Ausflugszielen. Bis zu 1000 Bahnreisende aus dem Ruhrgebiet kamen an Sonntagen in das Tal, verköstigten sich in den zahlreichen Gaststätten und flanierten auf der Hönnetalstraße, die sonntags zur „Fußgängerzone“ erklärt wurde. Nach dem Krieg reichten die Abteile der Züge für die Beförderung der Menschen kaum aus. Hamsterkäufe bei Bauern und das Sammeln von Waldfrüchten sollten die Nahrungsknappheit lindern.

Der wohl älteste profane Bau auf dem Gebiet der Stadt Balve, die Mühle Klusenstein, sowie das Landarbeiterhaus, das Wehr und die Wasserführung stehen seit dem Jahre 1984 unter Denkmalschutz und sind in der Denkmalschutzliste der Stadt Balve eingetragen. Die Anlage nimmt einen hohen Stellenwert in der Geschichte der Stadt Balve ein. Sie dokumentiert Arbeits- und Produktionsverhältnisse in einem Wohnwirtschaftsgebäude. Die älteste Bausubstanz der Mühle hebt sich deutlich sichtbar von den Umbaumaßnahmen zu Beginn des 19. Jahrhunderts ab. Der Getriebekeller, der Mahlboden, die Wohnung des Müllers und die Lagerungsmöglichkeit im Dachboden sind deutlich unter dem Krüppelwalmdach erkennbar. Mit dem Objekt am Ufer der Hönne wird die wechselvolle Geschichte im Grenzbereich der Grafschaft Mark und des kurkölnischen Sauerlandes identifizierbar gemacht.



Die Mühlenanlage wurde im Jahre 1997 durch einen Geräteschuppen in Fachwerk und Putz unter roten Dachziegeln ergänzt. Das Hauptgebäude wird im Jahre 2003 für Wohnzwecke modernisiert und in zwei getrennte Wohnungen aufgeteilt. Der Eigentümer, die lokale Denkmalschutzbehörde in Balve und das Denkmalpflegeamt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe stehen in hoher Verantwortung, das Hauptgebäude, die Nebengebäude und das Hofgelände für die Nachwelt dauerhaft zu erhalten.

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